Positiver Stress – negativer Stress?

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Positiver Stress – negativer Stress? Wer oder was entscheidet darüber?

Eine spannende Frage, die mir in fast jedem meiner Stress-Seminare gestellt wird: „Ist Stress positiv – ist Stress negativ? Wann ist das der Fall und wer oder was entscheidet eigentlich darüber, ob wir Stress positiv oder negativ empfinden?“

Dazu müssen wir erst einmal mit einem alten Mythos aufräumen. Wie Mythen das so an sich haben, hält auch dieser sich hartnäckig. In älterer Literatur wird Stress häufig noch in Di- und Eustress (Distress = negativer Stress / Eustress = positiver Stress) unterteilt und leider wird diese Literatur auch immer noch gerne im Netz sowie Zeitschriften verbreitet. Wie alles im Leben entwickelt sich auch die Wissenschaft weiter und diese alte Unterteilung passt nicht mehr zu den neuesten Erkenntnissen der Stresswissenschaft.

Wie funktioniert Stress?

Stress ist ein Reiz-Reaktions-System. Reize werden über unsere Sinne von außen aufgenommen, abertausende jeden Tag. Wenn unser System einen Reiz als Stress wahrnimmt oder bewertet, dann findet in unserem Organismus eine Reaktion statt. Binnen Millisekunden werden hierbei 30 unterschiedliche Hormone und Neurotransmitter ausgeschüttet. Das Ganze geschieht nicht bewusst, sondern wird von unserem Autonomen Nervensystem gesteuert, denn dort ist unser Stress-System beheimatet. Über die Evolution hat es sich dabei entwickelt und perfektioniert. 

Stress ist ursprünglich sehr positiv

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  • denn es schützt uns unter anderem vor lebensgefährlichen Gefahren
  • Evolutionär ist Stress sehr positiv, denn das entwickelte Reiz-Reaktions-System ist ein Überlebenssystem, das uns gute Dienste erwiesen hat. Es aktiviert uns binnen Millisekunden auf körperliche Leistungsfähigkeit. Diese körperliche Leistungsfähigkeit haben wir bei den meist lebensgefährlichen Reizen als Jäger und Sammler benötigt.
  • Heute gibt es keine Säbelzahntiger mehr, vor denen wir flüchten müssen. Dafür gibt es andere lebensgefährliche Reize, vor denen uns unser Stress-System auch heute noch schützt. Ein Beispiel hierfür ist der Straßenverkehr. Wenn ein Fahrer neben Euch auf der Autobahn euch nicht gesehen hat und die Spur wechselt, weicht ihr automatisch aus, bremst, hupt, etc. ohne darüber nachzudenken. Das ist ein Reflex, der euch das Leben rettet. Ihr seht, die Reaktion auf einen Stressreiz kann äußerst positiv sein.
  • Unser Organismus benötigt ein gewisses Maß an Stress-Reizen. Für die Verarbeitung dieser Stress-Reize ist es gemacht und unser System möchte beschäftigt werden. Kein Stress ist langweilig, unterfordert uns und sollte nicht die angestrebte Lösung sein.

Welche Faktoren sind nun dafür verantwortlich, ob Stress eher positiv oder eher negativ ist?

Die Stresswissenschaft hat hierzu vier Faktoren definiert. Da jeder Mensch individuell ist, Reize anders wahrnimmt und bewertet, unterschiedliche Ressourcen hat und somit mit Belastungen unterschiedlich umgeht, gibt es keinen Messwert wie beispielsweise beim Körpergewicht. Wenn du 1,80 m groß bist und 80 kg wiegst, dann bist du normalgewichtig. Wiegst du 100 kg bei gleicher Größe, dann bist du übergewichtig. So einfach ist es bei Stress nicht. Mit ein wenig Selbstreflexion und Körpergefühl kannst du deine Stressbelastung mithilfe der folgenden vier Faktoren aber sehr gut selbst einschätzen. 

Positiver Stress – Die Dosis macht das Gift

Dieser Spruch von Paracelsus ist alt und in vielen Kontexten zu finden. Auch beim Thema Stress kann man es nicht besser ausdrücken. 

Wir benötigen den Wechsel aus An- und Entspannungsphasen. Unser Stress-System ist wie eine Waage aufgebaut. Haben wir einen gleichbleibenden Wechsel aus An- und Entspannung, sind wir in Balance und alles ist prima. Alltägliche Stressreize, die jeder von uns hat, können von unserem System verarbeitet werden und wir fühlen uns wohl und ausgeglichen. Das gilt auch für große, stressige Lebensereignisse, die das Leben leider manchmal für uns parat hält. 

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Negativer Stress – Wenn das Gute zu viel wird

Zum Problem wird Stress erst, wenn die Anspannungsphasen Überhand nehmen und die Entspannungsphasen ausbleiben. Dafür ist unser Stress-System nicht ausgelegt. Auf Dauer führt das zu Problemen, Symptomen bis hin zu Stressfolgeerkrankungen. Das ist der Grund, warum wir Stress häufig als negativ bewerten. 

Du kannst das Stress-System mit einem Muskel vergleichen. Der Großteil unserer Muskeln ist ebenfalls für den Wechsel aus An- und Entspannung gemacht. Die Schultern hochzuziehen und wieder zu senken, stellt auch bei vielen Wiederholungen während des Tages kein Problem dar. Wenn du hingegen den ganzen Tag die Schultern hochziehst, dann bekommst du sie abends nicht mehr runter und wirst starke Verspannungsschmerzen, Kopfschmerzen, etc. haben. Probiere das lieber nicht aus. Die Dosis an in diesem Fall Muskelanspannung war zu hoch – daraus resultiert Problem. 

Negativer_Stress

Bezogen auf das Thema Stress. Du bist den ganzen Tag durchgetaktet. Ein Reiz jagt den nächsten. Du weißt gar nicht, wo du anfangen sollst. Du arbeitest ab, ohne Pause, ohne Essen und Trinken, ohne aufs Klo zu gehen und teilweise vergisst du sogar das Atmen. Du schaffst den Tag und bringst gute Leistung, denn du und dein Organismus, ihr seid stark und belastungsfähig. Wenn du dann aber abends endlich daheim bist und anfängst runterzufahren, dann merkst du, dass der Tag auch dich geschafft hat. Du fühlst dich platt, ausgelaugt, energielos,… – das war wohl doch ein wenig zu viel.

Hast du dich hier gerade wiedererkannt? Das muss nicht so bleiben, du kannst das ändern und deinen Stress ganz einfach in den Griff bekommen. Neugierig wie das geht? 

Stressfrei_und_entspannt_leben

Selbst wenn du gerne und viel schaffst und in deiner Arbeit aufgehst, das also als positiven Stress empfindest, dann verbraucht es Energie. Ab einem bestimmten Punkt ist es zu viel und genau dann kippt das Ganze. Positiver Stress wird zu negativem Stress. Damit das nicht passiert, sind Pausen unabdingbar. Wenn du deinem Organismus neben der Anspannung auch Entspannungsphasen einräumst und die Dosis der Stressreize auf einem für dich vertretbaren Level hältst, dann ist nichts gegen arbeitsreiche Tage mit vielen Reizen einzuwenden. 

Die Dauer macht den Unterschied

Eng verknüpft mit der Dosis ist die Dauer der Stressreize. Sind es ein paar Tage mit zu viel Stress oder mal ein paar Wochen, dann bist du, wie oben beschrieben, abends zwar platt, aber nach einer vernünftigen Nachtruhe regeneriert und dein Organismus lacht über die paar Wochen. Nochmal, unser Organismus ist belastungsfähig und kann einiges wegstecken.

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Dauert die Stressphase jedoch über Monate an, ohne vernünftige Entspannungsphasen, dann fängt das System an zu kippen. Es fühlt sich eben nicht mehr gut an und die Nachtruhe reicht plötzlich nicht mehr aus, um zu regenerieren, bzw. deine Schlafqualität fängt an unter dem dauerhaften Stress zu leiden. Eine gute Schlafqualität ist extrem wichtiger Faktor für das Thema Stress. Ich habe hierfür zwei eigene Blogartikel geschrieben. Du findest sie hier. 

Spätestens, wenn sich die Stressphase über Jahre zieht, dann entstehen gesundheitliche Probleme daraus, was Stress definitiv zu einem negativen Faktor macht. 

Ein Beispiel hierfür sind Unternehmer. Ein Unternehmer brennt für seine Idee, sein Produkt, sein Unternehmen. Der positive Stress beflügelt den Unternehmer, verbraucht aber eben auch Energie. Ohne einen Ausgleich und die nötigen Entspannungsphasen brennt der Unternehmer nach ein paar Jahren »Vollgas« aus und wundert sich. Wie ist es dazu gekommen? Es war doch viel positiver Stress dabei. Er hat doch geliebt, was er getan hat. Tja, es war halt dauerhaft eine zu hohe Dosis.

Franky´s Stress-Tipp1

Franky´s Stress-Tipp 1

Wie steht´s mit deiner Dosis und Dauer? Sorgst du für Ausgleich oder bist du ständig am Anschlag? Wie lang sind deine Anspannungsphasen? Sind es Tage, Wochen, Monate oder gar Jahre? Hast du einen Ausgleich, der dich auf eine ganz andere Art fordert, dich auf andere Gedanken bringt bzw. die Gedanken einmalganz abschaltet. Hast du Zeiten, in denen du dich wirklich entspannen kannst? Wie sieht es mit deinen nächtlichen Regenerationsphasen, deinem Schlaf aus? 

Hast du die Kontrolle?

Kontrolle ist ein weiterer Faktor. Wichtig: Es geht hierbei um die gefühlte und nicht um die tatsächliche Kontrolle. In dem Moment, in dem wir gefühlt die Kontrolle verlieren, steigt unser Stresspegel.

Ein sehr anschauliches Beispiel hierfür ist das Fliegen. Wenn wir in ein Flugzeug steigen, dann geben wir am Eingang die Kontrolle ab und zwar alle, bis auf den Piloten. Viele kommen subjektiv damit wunderbar klar und haben im Flugzeug keinen Stress. Sie lesen, gucken Filme und trinken einen Tomatensaft nach dem anderen und genießen die Reise. 

Andere bewerten die Situation anders und haben beim Fliegen sehr viel Stress. Spätestens bei der Durchsage des Piloten: »Bitte schnallen Sie sich fest an. Beide Triebwerke sind ausgefallen. Wir werden auf dem Atlantik notwassern. Nehmen Sie dazu den Kopf zwischen die Knie und halten Sie Ihre Schwimmweste parat,« haben alle im Flugzeug den objektiven Kontrollverlust auch subjektiv wahrgenommen, und das Reiz-Reaktions-System feuert bei allen mit 100 Prozent Leistung.

Auf deinen Alltag bezogen, bedeutet das: Solange du subjektiv das Chaos beherrscht, also das Gefühl hast, alles um dich herum handeln zu können, ist dein Stresspegel im grünen Bereich und du empfindest den Stress als beflügelnd – positiver Stress. Wenn dir aber bestimmte Dinge anfangen über den Kopf zu wachsen, dann ändert sich dein Empfinden und der Stress und alles um dich herum färbt sich dunkel ein – negativer Stress. Spätestens jetzt ist es Zeit für einen kleinen Break, dich kurz neu sammeln und zu versuchen wieder „Chef/-in der Lage zu werden“. 

Franky´s Stress-Tipp2

Franky´s Stress-Tipp 2

Bist du ein Kontrollfreak und bekommst sofort Stress, wenn du meinst, die Kontrolle zu verlieren? In welchen Situationen hast du gefühlt keine Kontrolle über die Situation? Ist das objektiv oder subjektiv so? Könntest du das ändern und dich in gewissen Situationen zurücknehmen, die Kontrolle einmal ablegen und entspannen?

Macht der ganze Stress Sinn?

Ich möchte dieses Thema pragmatisch aufgreifen, denn es ist ein sehr wichtiges, nicht nur für unseren Stresslevel. Ein gesunder Mensch strebt nach Weiterentwicklung und Wachstum. Das ist ein natürlicher Prozess unserer Spezies. Ausbleibende fordernde Reize, Langeweile und ein Verlust der Sinnhaftigkeit führen auf direktem Wege in eine Depression. Das ist etwas, das wir genauso wenig in unserem Leben brauchen wie ein Burnout. Nebenbei bemerkt, sind sich eine Depression und ein Burnout sehr ähnlich, wenn man sich Symptome, Krankheitsverlauf, etc. einmal näher betrachtet. Und die Psychologen sind sich da auch nicht ganz einig, wie viel Unterscheidungskriterien es dort gibt, aber das ist ein anderes Thema. 

Zurück zur Sinnhaftigkeit. Es geht nicht darum, in jeder einzelnen Situation den tieferen Sinn zu sehen und zu suchen und jede Aufgabe bzw. Situation zu hinterfragen. Es geht um den Sinn, den wir im Leben verfolgen, der uns antreibt und uns Energie verleiht. „Wofür bist du angetreten? Was ist der Sinn, den du im Leben verfolgst?“ 

Ein sehr anschauliches und zugleich trauriges Beispiel zum Sinn des Lebens sind alte Pärchen. Herbert und Inge sind glücklich 55 Jahre verheiratet. Sie machen alles gemeinsam, auch das Schwelgen in alten Erinnerungen über ihre Urlaube, die Kinder, die sie gemeinsam großgezogen haben, und ihre Goldene Hochzeit vor 5 Jahren. Als Inge eines Morgens nicht mehr aufwacht, geht für Herbert eine Welt unter. In den folgenden Wochen ist er nicht nur traurig, er weiß nichts mehr mit sich und der Zeit anzufangen. Er hat immer alles mit Inge gemeinsam gemacht. Seine Kinder sind nach Australien ausgewandert und können Herbert auch nicht helfen. Andere Verwandte hat er nicht. Herbert ist allein, fühlt sich nutzlos und wird immer antriebsärmer. Herbert hat den Sinn seines Lebens verloren.

Franky´s Stress-Tipp3

Franky´s Stress-Tipp 3

Egal an welchem Punkt in deinem Leben du stehst und welche kleinen und großen Lebensereignisse dich gerade auf Trab halten, verliere nicht deinen Sinn im Leben. Hast du Ziele, Visionen in deinem Leben?

Welchen Sinn siehst du für dich im Leben?

Siehst du einen Sinn in deinem Tun, deinem Streben, deinem Verhalten, deinem Sein?

Reflektiere das in einer stillen Minute und sei unbedingt ehrlich zu dir.

Fazit: positiver Stress vs. negativer Stress

Du siehst, das Thema ist komplexer, als man zu Beginn denkt. Stress einfach in positive und negative Stressoren zu unterteilen, die für jeden und immer positiv oder eben negativ sind – das kann in der Praxis nicht funktionieren. 

Hast du den Artikel gelesen, weil du Stress häufig als negativ empfindest? Würdest Du an dieser Stressbewertung gerne etwas ändern und deinen Stresspegel zukünftig senken bzw. einige deiner Stressoren zum positiven verändern? Dann schau doch mal bei unseren Online-Programmen „STRESSKILLER“ vorbei.

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Beste Grüße,

Frank

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